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Teil 3



Die so zahlreich bekannt gewordenen Exzesse in der Kongresszeit führten aber auch zu heftigen Protesten von Seiten des Klerus.
Wobei der Kanzlerprediger Zacharias Werner mit einer Messe bei den Franziskanern den Vogel abschoss.
Am 8. Dezember 1814 hielt er seine berühmte Rede über "das gefährlichste Stückchen Fleisch" am Menschenkörper.
Nachdem er an Deutlichkeit nichts ausgelassen hatte, fragte er sein entsetztes Publikum:
"Soll ich es euch zeigen?"
Die Damen waren der Ohnmacht nahe, die Herren warteten fassungslos, wozu der Prediger fähig wäre - als er donnernd verkündete:
"Meine Damen und Herren, sehen Sie hier die Ursache unserer Sünden!"
Und dann streckte er die Zunge heraus.

Als mit der Weltausstellung des Jahres 1873 das nächste internationale Großereignis auf Wien zukam, entschloss man sich, das in der Praxis ohnehin nicht zu exekutierende Bordellverbot aufzuheben, und statt dessen ärztliche Untersuchungen anzuordnen, um der sich schnell ausbreitenden Geschlechtskrankheiten Herr zu werden.
Während die Vertreterinnen des horizontalen Gewerbes im Mittelalter noch Angehörige eines angesehenen Berufsstandes waren, hatten sich ihre soziale Situation durch die Einschleppung der Syphilis dramatisch verschlechtert.
Die bis dahin beliebten Freudenhäuser wurden geschlossen und die "Hübschlerinnen" auf die Straßen der Städte verbannt.

Nur wenige konnten als "Nobelhuren" in einem gut situierten Kundenkreis tätig sein, die meisten wurden in die Geheimprostitution gedrängt, wo sie sich für ein paar Kreuzer, die sie noch dazu mit ihren "Beschützern" teilen mussten, hingaben.
Von den 25.000 zur Jahrhundertwende geschätzten Prostituierten Wiens, waren nur 1.800 amtlich registriert, ihre Betätigungsfelder waren Kärntnerstraße, Stephansplatz, Graben, Prater, öffentliche Gärten, mehrere Volkskeller und Bedürfnisanstalten, sowie zwei Cafe-Meiereien.

Eine von ihnen wurde als Josefine Mutzenbacher berühmt, nachdem der Dichter Felix Salten zur Jahrhundertwende ihren Lebensweg beschrieben hatte.
"Die Mutzenbacher" war - wenn auch unter anderem Namen, den die Öffentlichkeit nie erfahren hat - 1852 als Tochter eines Sattlergehilfen in einer Ottakringer Zinskaserne zur Welt gekommen, und ist "frühzeitig Hure geworden", wie sie selbst den Beginn ihrer Karriere schilderte.
"Ich habe alles erlebt, was ein Weib im Bett, auf Tischen, Stühlen, Bänken, an kalten Mauerecken gelehnt, im Gras liegend, im Eisenbahnzug und im Bordell erleben kann."
Sie trieb es mit der Nachbarschaft, mit Lehrern, Mitschülern, Kunden, und sogar mit dem Herrn Pfarrer, und hat "nichts von alldem bereuen müssen."

Über ihr Schicksal nach Beendigung ihrer "Karriere" wissen wir wenig.
Gesichert scheint, dass Josefine ihren literarischen Weltruhm nicht mehr erlebt hat.
Sie war in mittleren Jahren mit ihren angeblich nicht unbeträchtlichen Ersparnissen in den wohlverdienten Ruhestand getreten, und soll 1904 - zwei Jahre vor Erscheinen ihrer Lebensbeichte - im Alter von 52 Jahren in einem Klagenfurter Sanatorium gestorben sein.

Etliche der illegal tätigen Prostituierten waren als Verkäuferinnen getarnt.
So auch jene im "Kleider-Salon Riehl" in der Grünentorgasse, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts regen Zuspruch erfreute.
Elegante Herren gaben sich die Türschnallen in die Hand - ohne auch nur ein einziges Kleidungsstück zu kaufen.
Ganz im Gegenteil, man pflegte diese hier abzulegen, zumal sich hinter der biederen Fassade des Salons ein Geheimbordell versteckte, dessen Mitarbeiterinnen von der "Puffmutter" Regine Riehl wie Gefangene gehalten, misshandelt und zur Prostitution gezwungen wurden.
Versuchte ein Mädchen auszubrechen, wurde es in die "Korrektionsanstalt" eingeliefert, da die Madame gute Beziehungen zu einem hohen Polizeifunktionär hatte, der seine schützende Hand über den Salon hielt, und jede Anzeige zu unterdrücken wusste.
Das ging so lange gut, bis die Zustände Emil Bader, einem Redakteur des "Wiener Extrablatts" zu Ohren kam.
Dieser begann, in mühevoller Kleinarbeit Beweise gegen Madame Riehl zu sammeln, und erstattete dann beim Polizeipräsidenten Anzeige.
Der ließ den Salon schließen und die Chefin verhaften.

Die Prostitution spielte damals in den breiten Schichten der Bevölkerung eine wesentliche Rolle.
Ein junger Mann erfuhr von den Segnungen der Liebe meist im Bordell, da die "anständigen" Frauen voreheliche Beziehungen verweigerten, die nicht nur als unmoralisch, sondern auch als gefährlich galten (was sie tatsächlich waren: Ein "lediges Kind" raubte einem Mädchen jede Aussicht auf eine bürgerliche Zukunft).

In der Ehe sollte dann das Liebesleben nur der Fortpflanzung dienen, da es "eine infame Unterstellung ist, anzunehmen, dass eine anständige Frau sexuelle Empfindungen hat", wie einschlägige Ratgebern der Jahrhundertwende zu entnehmen ist.
Und weiters: "Die Frau duldet die Umarmung ihres Gatten nur, um ihn zu befriedigen."

Ehefrauen wehrten sich nur selten gegen derartige Formen der Intimität, weil sie in wirtschaftlicher Abhängigkeit standen.
In der Ehe sollten Mann und Frau nicht einmal Gelegenheit haben. einander nackt zu sehen.
Es gehörte zum "guten Ton", mit hochgeschlossenem Nachthemd und womöglich mit Zipfelmütze zu Bett zu gehen, in dem man einander dann mehr oder weniger "blind" liebte.
Nicht genug damit, sollten Frauen sogar daran gehindert werden, ihren eigenen Körper zu betrachten, erfuhr man "von kompetenter Stelle" in einem Buch aus dem Jahr 1886, wie es Jungfrauen von ihren Eltern damals oft unter den Kopfpolster gelegt wurde.
"Wenn Du ein Bad nimmst, so streue Sägemehl auf das Badewasser, damit Dir der peinliche Anblick Deiner Scham erspart bleibe."

Es war natürlich unmöglich, angesichts solcher Erziehungsmaßnahmen ein unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität und zu seelischem Gleichgewicht zu finden.
Galt "die frigide Frau" damals noch als bürgerliches Ideal, so erkannte Sigmund Freud, dass die Unterdrückung der Lust zu schweren psychischen Störungen führen kann, die häufig hysterische Symptome zur Folge hatten.
So legte der "Vater der Psychoanalyse" mit seiner Erkenntnis den Grundstein zur "sexuellen Revolution."

In Adelsfamilien war es - ebenso wie bei den Bauern - Jahrhunderte lang Brauch, die Nachkommenschaft ausschließlich aus erbrechtlichen Gründen zu verheiraten, während die Stimme des Herzens keine Rolle spielen durfte.
Am ehesten betraf das die Angehörigen der regierenden Häuser, die nur solche aus anderen regierenden Häusern ehelichen durften.
Umso größer das Aufsehen, wenn sich ein Mitglied der kaiserlichen Familie weigerte, einem solchen Kuhhandel zuzustimmen - wie etwa Erzherzog Johann, der Bruder von Kaiser Franz I.

Der Erzherzog war am 22. August 1819 während einer Wanderung in der Nähe des Toplitzsees der 15-jährigen Postmeisterstochter Anna Plochl begegnet.
Als sie einander ein paar Tage später wieder sahen, fragte der 37-jährige Prinz die schöne Ausseerin ohne Umschweife, "ob ihr Herz schon vergeben sey".
Sie verneinte schüchtern, worauf Johann erklärte:
"Wenn da niemand Unrecht geschieht, dann seyen Sie mir guth".
Und man begann sich regelmäßig zu treffen.

Bis hierher wär`s eine Affäre, wie viele andere, war es doch durchaus üblich, dass hohe Herren sich an Kammerzofen oder anderen Mädchen aus "niedrigem Stande" heranmachten.
Hier aber sollte der Fall einen anderen Verlauf nehmen.
Denn drei Jahre nach dem Kennenlernen hielt der Erzherzog um die Hand seiner "Nani" an.
Und von da an war bei Hof der Teufel los.
Fürst Metternich schickte eine Reihe von Spitzeln aus, zumal "Seine Majestät eine schleunige, jedoch mit aller Umsicht zu erhebende Auskunft über den Postmeister von Aussee Plochl und seine Familie wünschte."

Erzherzog Johann dachte freilich nicht daran, von seiner Braut zu lassen, und wartete ein knappes Jahrzehnt, bis sein Bruder, der Kaiser, ihm die Zusage zur Ehe erteilte.
Die Hochzeit fand dann heimlich in der Nacht zum 19. Februar 1829 in der Kapelle von Erzherzog Johanns Brandhof bei Mariazell statt.
Später wurde Anna zur Gräfin von Meran erhoben.

FORTSETZUNG FOLGT



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