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Teil 6



Rudolf und Stephanie heirateten am 10. Mai 1881 in Wien.
Sein leises, resignierendes "Ja", konstatieren Beobachter, stand in krassem Gegensatz zur lauten, und kräftigen Antwort der Braut.
Schon die Hochzeitsnacht im Schloss Laxenburg war ein Fiasko.
Man hatte die 17-jährige Stephanie unaufgeklärt in die Ehe geschickt, und der um sechs Jahre ältere Rudolf fiel in brutaler Eroberermanier, wie er es von seinen zahllosen Liebschaften gewohnt war, über sie her.

Noch fünfzig Jahre später schrieb sie über das schreckliche Erlebnis:

"Welche Nacht!
Welche Qual, welche Abscheu!
Ich hatte nichts gewusst, man hatte mich als ahnungsloses Kind zum Altar geführt.
Meine Illusionen, meine jugendlichen Träumereien waren vernichtet.
Ich glaubte, an meiner Enttäuschung sterben zu müssen."

Rudolf sollte sein hemmungsloses Liebesleben in den acht Jahren seiner Ehe noch weiter intensivieren.

"Der Kronprinz war gewohnt, dass ihm kein weibliches Wesen widerstand", notierte Stephanie, und seine Cousine Marie Larisch brachte das Dilemma in ihren Lebenserinnerungen auf den Punkt.
"Bei dieser Braut bestand keine Gefahr, dass Rudolf ein Mustergatte werden würde."
Er wär`s vermutlich auch sonst nicht geworden.

Nach einigen Jahren seiner vehementen Untreue blieb auch sie ihrem Mann nichts schuldig.

Erwiesen ist ihr langjähriges Verhältnis mit dem Grafen Arthur Potocki, den sie als die große Liebe ihres Lebens bezeichnete, und regelmäßig in Abbazia traf.
Die Beziehung zu den polnischen Aristokraten dürfte nicht die einzige in ihrer Ehe gewesen sein.

Im Frühjahr 1888 lernte Rudolf beim Pferderennen in der Freudenau das Mädchen kennen, dem er zum Schicksal werden sollte.

Schwärmerisch verliebte sich die kleine Baronesse in den Kronprinzen, doch für ihn war die 16-jährige alles andere als die große Liebe seines Lebens, als die sie oft beschrieben wird.
Mary war nicht einmal die einzige Vetsera, mit der er ein Verhältnis hatte.
Zwölf Jahre davor verband Rudolf auch mit ihrer Mutter eine stürmische Affäre.
Helene Freifrau von Vetsera, deren Mann als Berufsdiplomat selten in Wien weilte, war elf Jahre älter als der Kronprinz und soll - sehr vehement - die Initiative zu dieser Beziehung ergriffen haben.
Sie wird als "kleine, zierliche Person mit unvergesslich blaugrauen Augen und schönen, langen Wimpern" beschrieben.
Die südländische Schönheit mit der seidigweichen Haut, ihren dunklen Augen und dem dunklen Haar gehörte jenem Frauentyp an, den der Kronprinz auch später bevorzugte.

Mary war auch nicht die erste Frau, mit der Rudolf sterben wollte.

"Wer war schon die Vetsera?", erinnerte sich die Kronprinzessin Stephanie verächtlich, "eine von vielen, noch die letzte Nacht verbrachte er bei seiner Freundin, der Grande Cocotte von Wien."

Damit meinte die Frau des Thronfolgers seine Geliebte Mizzy Caspar, die ihm immerhin so nahe stand, dass er in seinem Testament vermerkte, "was an Geld sich findet, bitte ich alles Mizzy Caspar zu übergeben.

Mein Kammerdiener Loschek weiß ihre Adresse genau."
Der Kronprinz hatte sich zuvor schon Mizzy Caspar zuliebe in Schulden gestürzt, ihr wertvollen Schmuck und ein Haus auf der Wieden geschenkt, in dem er so manche Nacht verbrachte.
Auch die letzte, ehe er nach Mayerling fuhr.
Maria Caspar gab sich in den amtlichen Papieren als "Soubrette" oder als "Tänzerin" aus, war aber in Wahrheit Prostituierte.
1886 hatte die Affäre mit dem Kronprinzen begonnen, dem sie durch Vermittlung der stadtbekannten Kupplerin Wolf begegnet war.

Rudolf hatte Mizzy Caspar ein halbes Jahr vor dem tatsächlichen Selbstmord den Vorschlag gemacht, sich ,mit ihr vor dem Husarentempel in Mödling zu erschießen.

Als die Geliebte daraufhin entsetzt zum Polizeipräsidenten Baron Krauss ging, um ihm das mitzuteilen, ließ dieser den Kronprinzen bei Tag und Nacht von Polizeidetektiven bewachen.
Die Polizei wusste also seit Längerem von der für den Thronfolger lebensbedrohlichen Situation.
Und war unfähig ihn zu retten.
Zweifellos stand Mizzy Caspar dem Kronprinzen wesentlich näher, als die unglückliche Mary, die mehr oder weniger zufällig ins Verderben schlitterte.

Man schrieb den 30. Jänner 1889, als der Sohn des Kaisers in seinem Jagdschloss in Mayerling bei Wien zur Waffe griff.

Er schoss zuerst auf Mary, und dann auf sich selbst.
Alle anderen, seither immer wiederkehrenden Theorien bleiben jeden Beweis schuldig.

ENDE


Quelle: Ausschnitt aus dem Buch "Wie die Zeit vergeht" von Georg Markus

Kommentare

  1. Danke für den interessanten und beeindruckenden Post.
    Eine schöne und sonnige Woche wünscht Dir Yvonne

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